Andere Länder – andere Sitten

Andere Länder – andere Sitten

Ermittlungen auf den Philippinen sind nur halb so schwierig, ist doch nur knapp die Hälfte der über 7000 Inseln bewohnt. Dennoch sollte man, nicht zuletzt aus Rücksicht auf die nahen Angehörigen, einen einheimischen Profi beiziehen. Von Walter Pöchhacker*


Andere Länder – andere Sitten

Vor der Redaktion der Tageszeitung „Tempo“ warten jeden Tag Dutzende Philippinos. Sie nehmen die lange Wartezeit in Kauf, um dem Starreporter Ruther D. Batuigas ihre Probleme schildern zu dürfen. An sich wäre das nicht Besonderes, wenn es nicht die Leibwächter gäbe, die jeden Bittsteller mißtrauisch beäugeln.

Die Lebenserwartung in der über 13 Millionen Einwohner zählenden philippinischen Hauptstadt Manila ist mit über 20 Morden täglich im allgemeinen, im besonderen jedoch für Batuigas, nicht sehr hoch. In seiner täglichen Kolumne Bull Eye“ wettert der glühende Antikommunist gegen Mißstände und Korruption in der Verwaltung, der Armee und der Polizei. Die Mentalität mancher, von den Enthüllungen Batuigas geschädigter Philippinos bringt es mit sich. daß sie ihm nach dem Leben trachten; bei den kommunistischen Todesschwadronen steht er auf der schwarzen Liste.

Batuigas trägt dem Rechnung und immer ein „Baby“, eine leicht modifizierte Colt Commander im Kaliber .45 ACP. bei sich. Etwas ungewöhnlich ist die Waffe munitioniert, denn die Patronen im Magazin sind abwechselnd mit normalen“ Hollow Pointpatronen und Projektilen mit Gift bestückt. Auch nur ein Streifschuß beschert einem Getroffenen in spätestens fünf Minuten den sicheren Tod. Daß dies dem Schützen Vorteile bringt, liegt auf der Hand. Einerseits erspart er sich Scherereien mit einer eventuell für ihn ungünstigen Zeugenaussage, anderseits könnte ein Überlebender wieder von Rachegedanken beseelt werden.

Er ist der einzige Reporter, der „hin und wieder Block und Bleistift vergißt, nie aber eine Waffe“. Nebenbei unterhält er eine Detektivagentur mit einigen hundert Mitarbeitern, die meist uniformierte Sicherheitsdienste in Hotels usw. verrichten.

Die Unterdrückten kommen zu ihm, weil er ihnen schneller helfen kann als die Polizei, die er selbst als „Hochburg der Kriminalität“ bezeichnet. (Ein Polizist verdient umgerechnet etwa ÖS 700,- im Monat!) Batuigas hat ein Netz von Spitzeln und Informanten in der Unterwelt und bei der Polizei; er gilt als Spezialist bei der Suche nach vermißten Personen.

Seine Beziehungen treiben europäischen Detektiven und Reportern Tränen in die Augen. Sie ermöglichen es ihm sogar, bei Razzien und Verhören aktiv teilzunehmen. Wenn er persönlich für Verhaftete bürgt, werden sie freigelassen, was natürlich wieder für Verbündete sorgt. Selbst Helikopter von der Armee kann der Oberstleutnant der Reserve in kürzester Zeit auftreiben.

Spektakuläre Ermittlungserfolge meist wurden Kinder im Prostituiertenmilleu gefunden, haben ihm den Namen „Top-Gangster-Jäger“ eingebracht. Sein größter Fall wurde unter dem Titel „Hanapin Si Batuigas (Rufen Sie Batuigas)“ verfilmt und machte ihn berühmt.

Das bekannteste Vergnügungsviertel in Manila, die „Metropole des Verbrechens“, heißt Ermita. Es ist vollgestopft mit Bars, Nightclubs und Etablissements mit „Model Shows“, in denen überraschend viele Europäer anzutreffen sind. Einigen von ihnen sieht man den passiven Strafvollzug schon von weitem an, andere wieder gefallen sich als Mann von Welt, wobei diese Optik mitunter von Trauerrändern unter den Fingernägeln beeinträchtigt wird. Bestimmte Lokale mit deutschsprachigen Besitzern gelten als Treffpunkte von Österreichern, die sich aus gutem Grund abgesetzt haben, und – wie schon Udo P. – auf die Untätigkeit der philippinischen Behörden zählen.

Ermita kann bei der Personensuche von Ausländern fast immer als Ansatzpunkt verwendet werden, wenngleich es mitunter sehr mühsam und nicht immer ganz ungefährlich ist. Das Viertel ist fest in Händen der organisierten Kriminalität, wobei die chinesische Mafia – durch Unterstützung der Polizei – laufend Terraingewinne verbucht. Häufige Razzien in potentiellen Übernahmeobjekten tragen zur Verkaufsbereitschaft der Lokalbesitzer und entsprechendem Preisverfall bei.

Allein bei Dunkelheit in die kleineren Seitengassen zu gehen, ist erstens nicht ratsam, zweitens sollte man eine Taschenlampe mithaben. Die zumeist nur sehr schlechte Beleuchtung läßt die rechtzeitige Wahrnehmung von offenen Kanaldeckeln oft nicht zu. Mit einem offenen Unterschenkelbruch soll man gemeinen Straßenräubern genauso ausgeliefert sein wie auf Organhandel spezialisierten Banden.

Auch wenn man mit dem Taxi unterwegs ist – vom Selbstfahren mit Mietwagen kann auch noch so routinierten Fahrern nur abgeraten werden -, sollte man etwas mißtrauisch sein. Bis zu zehnfach überhöhte Fahrpreise für ein und dieselbe Strecke sind keine Seltenheit; jeder ausländische Fahrgast wird als Melkkuh betrachtet.

Philippinos sind zwar in der Regel sehr hilfsbereit oder geben sich zumindest so. Ausländer werden jedoch, auch unter Verwendung einer ausgefeilten Legende, kaum wirklich ermittlungsrelevante Informationen bekommen.

Um so wertvoller war die Unterstützung von Batiguas. Er stellte Leibwächter samt gepanzertem Fahrzeug zur Verfügung und sorgte für die Unterbringung in einem sicheren Hotel. Seine Detektive befragten unzählige Informanten und er selbst nützte seine Kontakte zu den Behörden.

Aber selbst mit Bodyguards kann es in einer Bar beim Besuch der Herrentoilette (über Damen-WCs liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor) Überraschungen geben. Vor, während und nach der Verrichtung des „kleinen Geschäftes“ ist es doch ungewöhnlich, ohne Vorwarnung fremde Hände von hinten auf den Oberschenkeln und auf dem Nacken zu verspüren. Es handelt sich dabei meist nicht um die Vorbereitung eines besonders gefinkelten Zech(anschluß)raubes, sondern um den (gelungenen?) Versuch von Masseuren, den Gast zu entspannen.

Batuigas Leibwächter, meist hauptberuflich bei der Polizei oder Armee, gehen für ihn durchs Feuer. Bei der Auswahl seiner engsten Beschützer legt er besondere Maßstäbe an; jeder von ihnen muß seine Kaltblütigkeit schon unter Beweis gestellt und mehrere Personen getötet haben. Er selbst – sein Oberkörper sieht aus wie ein Übungsmodell für Anatomiestudenten – hat drei Schuß- und zwei Messerattentate überlebt und neun Leute „in Notwehr“ erschossen.

Seine Mitarbeiter sind mit modernsten Waffen, wie z. B Pistolen mit Schalldämpfern, Revolvern. Sturmgewehren samt Gewehrgranaten, automatischen Schrotflinten, Handgranaten usw. ausgerüstet. Sie fahren teilweise gepanzerte Fahrzeuge und stehen ständig über Funk mit ihrem Chef und der Detektivzentrale in Verbindung.

Der Starreporter und Detektiv Batuigas ist längst vielfacher Millionär. Er bewohnt 20 Kilometer außerhalb Manilas mit seiner Frau und seinen sechs Kindern eine Luxusvilla. Das Gebäude wird schärfstens bewacht, die Bodyguards wohnen in einem separaten Trakt und haben im Park einen Schießstand zur Verfügung.

Die Familie hat gelernt, mit der Gefahr zu leben. Spaßvögel teilen seiner Frau regelmäßig mit, daß er soeben erschossen worden sei. Batuigas weiß, daß er früher oder später eines gewaltsamen Todes sterben wird. Er hat im Ausland Dossiers gelagert und hofft, daß dies eine Lebensversicherung ist. Außerdem möchte der 52jährige ein Buch schreiben.

Übrigens: Sollte jemand erst auf dem Flughafen in Manila an ein Souvenir denken, ist dies auch kein Problem; das Dienstabzeichen eines Polizisten kostet 20 Dollar.

*)Walter Pöchhacker ist Inhaber einer Detektei in Wien.

Walter Pöchhacker.- Wien: Der Kriminalbeamte, Dezember 1991

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