Der Feind in deiner Firma
Petra PICHLER – Printausgabe vom November 1998 – Trend
Geschätze 25 Milliarden Schilling werden in österreichischen Unternehmen jedes Jahr veruntreut und unterschlagen. Die Täter sind meist die engsten Mitarbeiter. trend zeigt, was vielleicht auch in Ihrem Betrieb tagtäglich passiert.
Als die Wirtschaftspolizei den Tresor der Riegerbank aufbrach, gab es lange Gesichter. 107 Millionen Schilling fehlten. Der Chef des privaten Geldinstituts, Wolfgang Rieger, befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Flucht. Das Geld und jede Menge Akten hatte er vermutlich mitgenommen. Nur Stunden später entdeckten die Ermittler bei ihren Nachforschungen Malversationen ganz anderen Ausmaßes. Rieger hatte in den vergangenen Jahren wahrscheinlich jede seiner Bilanzen gefälscht und so wahrscheinlich um die 600 Millionen Schilling auf die Seite geschafft. Der nach außen hin smart wirkende Banker hatte es geschafft, nicht nur seine Kreditgeber wie Bank Austria, RZB oder die RLB Oberösterreich auszutricksen. Auch die Bankenaufsicht sowie seine Bilanzprüfer waren Rieger auf den Leim gegangen. Sein letztes Opfer: die ebenfalls private Diskontbank – vormals Effektinvest -, über die Rieger eine Anleihe seines Instituts begeben hatte. Deren Anleger müssen nun um ihr Geld zittern.
Wolfgang Rieger hat sich mit seinem 600-Millionen-Coup in die oberste Liga der österreichischen Wirtschaftskriminellen katapultiert. Von ihm könnten ausgekochte Kerle wie Peter Rosenstingl, Udo Proksch oder der Bauskandal-Drahtzieher Franz Graf noch einiges lernen. Doch neben diesen spektakulären Fällen gibt es eine Menge von kleineren Delikten, die sich – ohne je aufzufliegen – in den Unternehmen tagtäglich abspielen.
Eine aktuelle Studie der internationalen Wirtschaftsprüferkanzlei KPMG zeigt, daß rund 37 Prozent der 500 größten österreichischen Unternehmen in den vergangenen Jahren Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen wurden. Untersuchungen zeigen, daß dabei jährlich rund 25 Milliarden Schilling unterschlagen oder auf anderem Wege veruntreut werden. Peter Humer, Verfasser der Studie: „Die Dunkelziffer dürfte aber weit höher liegen. Nicht alle Fälle werden auch zur Anzeige gebracht.“ Der Grund dafür liegt in der Angst der Unternehmen vor einem Imageverlust in der Öffentlichkeit.
Schwere Delikte. Laut Studie kann es grundsätzlich in jeder Branche und Unternehmensgröße zu Veruntreuung, Unterschlagung oder Betrug kommen. Die Zahl der Fälle hat in den vergangenen Jahren derart zugenommen, daß Wirtschaftskriminalität mittlerweile zu den größten Geschäftsrisiken zählt. Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer der Internationalen Handelskammer: „Über den Daumen gepeilt, nimmt diese pro Jahr um rund 50 Prozent zu.“
Die Arten von kriminellen Handlungen in den Unternehmen sind vielfältig und werden zunehmend komplexer. Neben Betrug und Untreue sind Diebstähle die häufigsten Delikte (siehe Kasten: „Dunkle Machenschaften“). Diese reichen von kleinen „Unregelmäßigkeiten“ in der Buchhaltung bis zum geplanten Großbetrug, hinter dem oft lange Vorbereitungen und ein klares Konzept stecken.
Häufig ist auch die klassische Unterschlagung, wo regelmäßig aus dem Lager eines Kaufhauses Waren kartonweise verschwinden oder diese erst gar nicht gelagert werden müssen, weil sie sich auf dem Weg zwischen Lieferant und Kunde einfach in Luft aufgelöst haben. Martin Essl, Juniorchef der Baumax-Gruppe: „International beträgt in unserer Branche die Inventurdifferenz durchschnittlich ein bis zwei Prozent des Umsatzes.“
Im schlimmsten Fall wird von den Mitarbeitern sogar eine eigene Firma im Unternehmen gegründet, der Kundenstock nach und nach abgeworben und der ursprüngliche Arbeitgeber ausgeblutet. So geschehen bei einem Kärntner Baumarkt. Dort hatten sich rund ein Dutzend Mitarbeiter gegen den Brötchengeber verbündet. Ganze Paletten von Badezimmerfliesen wurden offiziell dem Chef als Bruch gemeldet, aber unter der Hand in tadellosem Zustand an Stammkunden zu einem günstigen Preis weiterverkauft.
Ausgekochte Mitarbeiter. In die Kategorie Wirtschaftskriminalität fallen auch Bestechungsgelder – kleine, unauffällige Beträge, die sich über Jahre zu Millionenschäden summieren.
Das wirklich große Geld ist aber nur von Abteilungsleitern, Prokuristen und der Geschäftsführung zu machen. Rund 44 Prozent aller wirtschaftskriminellen Handlungen werden von den eigenen Mitarbeitern begangen (siehe Kasten: „Dunkle Machenschaften“ auf Seite 122). Diese Leute kennen die internen Unternehmensabläufe, besitzen meist das Vertrauen des Firmenchefs und sind ab den Prokuristen aufwärts zumindest zur bankmäßigen Unterschrift berechtigt.
Nach diesem Muster agierte auch der Chefchemiker einer Firma, die Speziallacke für Spielkarten herstellt. Er setzte alles daran, schon während seines Angestelltenverhältnisses den Grundstein für eine spätere Unternehmerexistenz zu legen. Neben seinem Job baute er fleißig eine eigene Firma auf. Bevor er dann endgültig kündigte, manipulierte der findige Chemiker die Formel zur Herstellung der Speziallacke. Der Start in die Selbständigkeit gelang mühelos, da sein ehemaliger Brötchengeber plötzlich mit Produktionsausfällen und Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Und der ehemalige „treue“ Mitarbeiter und nunmehrige Firmenbesitzer konnte die verärgerten Kunden mit einem Schlag übernehmen.
Unzufriedene Mitarbeiter. Die Gründe, warum langjährige Mitarbeiter plötzlich die Hand zu beißen beginnen, die sie bisher gefüttert hat, sind vielfältig. Burger-Scheidlin: „Viele Mitarbeiter sind auf Dauer mit ihrem Job unzufrieden und haben innerlich oft schon längst gekündigt.“ Diese können dann schnell zu einem Killervirus im System mutieren. Sowie die vom Job frustrierte Chefsekretärin einer Vertriebsfirma für Klimaanlagen. Als ein früherer Arbeitskollege sie bat, firmeninterne Informationen an ihn weiterzuleiten, war sie, ohne lange zu zögern, dazu bereit. Dieser hatte inzwischen eine eigene Firma für Klimageräte gegründet. Das ausgekochte Pärchen heckte einen geschickten Plan aus. Zu Beginn der Sommersaison, wenn die Nachfrage nach Klimaanlagen stieg und vom Unternehmen eine Aussendung mit den neuesten Angeboten an die Kunden ging, sollte die Chefsekretärin alle Anfragen an ihren Komplizen weiterleiten. Die Sache funktionierte, zurück blieb ein völlig verwunderter Chef, der sich nicht erklären konnte, warum seine Aussendungen so gar keine Aufträge brachten.
„Kriminelle Mitarbeiter können für die betroffenen Firmen zur Existenzbedrohung werden.“
Walter Pöchhacker, Privatdetektiv
Die beste Form, kriminelle Handlungen im eigenen Betrieb zu verhindern, ist das Bestreben, diese von vornherein zu unterbinden. Deshalb muß besonders der Firmenchef ein integres Verhalten an den Tag legen. Denn wenn die Mitarbeiter sehen, wie dieser selbst Bestechungsgelder entgegennimmt, werden sie nicht zögern, es ihm gleichzutun. Humer: „Die Mitarbeiter brauchen eine klare Vision über gemeinsam gelebte Werte. Dann sind die Mitarbeiter gegen wirtschaftskriminelle Handlungen weitgehend immun.“
Grundsätzlich kann jede Form von Prävention den Betrieben viel Ärger ersparen. Privatdetektiv Walter Pöchhacker: „Ist eine Sauerei erst einmal passiert, wird sie in vielen Fällen für die Geschädigten zu einer echten Existenzbedrohung.“ Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich, in die laufende Geschäftstätigkeit verstärkte interne Kontrollen einzubauen, die frühzeitig Unregelmäßigkeiten wie Inventurdifferenzen und atypische Zahlungsverkehre aufzeigen. Francis Lustig, Chef der Elektronikhandelsketten Köck und Cosmos: „Bei 800 Mitarbeitern gibt es einfach das eine oder andere schwarze Schaf in der Belegschaft. Deshalb machen wir mehrmals pro Jahr Inventur, alle unsere Geräte sind diebstahlgesichert, und externe Detektive führen fallweise Inspektionen in den einzelnen Geschäften durch.“
Weiters sollten die Personen genau überprüft werden, die zu geheimen Unternehmensdaten oder Akten Zugang haben. Burger-Scheidlin: „Die Computerumstellung für das Jahr 2000 ist eine gute Gelegenheit für Betriebsspionage. Wer sagt einem, daß der nette, hilfsbereite Software Fachmann nicht von der Konkurrenz engagiert wurde.“ Pöchhacker warnt: „Auch Reinigungsfirmen, die Zutritt zu allen Büroräumlichkeiten haben, zählen zu den Risikofaktoren.“
Die Kärntner High-Tech-Firma SEZ, die eine weltweit patentierte Anlage zur Herstellung von Mikrochips vertreibt, ist sich des Risikos einer Betriebsspionage sehr wohl bewußt. Betriebsleiter Peter Grünwald: „Wir sind in puncto Sicherheitsmaßnahmen immer auf dem letzten Stand.“ Neben dem Gebäudeschutz mit einem Bewachungsteam rund um die Uhr und elektronischen Sicherheitsmaßnahmen können die meisten Türen im Firmengebäude nur mit Hilfe bestimmter Codekombinationen geöffnet werden. Grünwald: „Zu unserer Entwicklungsabteilung haben nur wenige SEZ-Leute Zutritt.“
Hat ein Firmenbesitzer gegen gewisse Mitarbeiter bereits einen konkreten Verdacht, kann diesen aber noch nichts nachweisen, müssen externe Spezialisten dafür engagiert werden. Pöchhacker: „Dabei werden meine Leute undercover als Mitarbeiter in den Betrieb eingeschleust.“ So hat die observierte Person keinen blassen Schimmer, daß es sich beim netten Kollegen um einen getarnten Wirtschaftsdetektiv handelt. Pöchhacker: „Es gibt aber auch Aufträge, wo der Firmenchef wünscht, daß wir in seinen Betrieb einbrechen, um wichtige Papiere zu stehlen. Sind wir dabei erfolgreich, weiß der Unternehmer, daß es in seiner Firma undichte Stellen gibt.“
Aber auch der Chef selbst kann zum Täter werden. Wie der Chef der Schwechater Baufirma SBG, Franz Graf, dessen dunkle Machenschaften im Februar dieses Jahres aufflogen. Ihm wurde seine Ordnungsliebe zum Verhängnis: Bei einer Durchsuchung des Grafschen Büros fanden die Ermittler die gesammelten schriftlichen Aufzeichnungen über alle getätigten Preisabsprachen und gezahlten Schmiergelder seit 1993.Franz Graf wurde daraufhin als Drahtzieher des illegalen Baukartells zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe von dreißig Millionen Schilling verurteilt.
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