Detektivin:
„Männer haben es in meinem Job leichter“
Barbara P. über stundenlanges Warten und das besondere Kribbeln im Bauch
Michael Hausenblas – 13.03.2020 – derstandard.at
Ich komme gerade von einem sehr langen Einsatz in einem Luxushotel im ersten Wiener Bezirk, in dem ich immer wieder zu tun habe. So ein Dienst kann sich ganz schön in die Länge ziehen, vor allem wenn mein Auftrag lautet, jemanden zu observieren. Doch dazu später.
Nein, ich bin nicht müde, die Müdigkeit bricht erst über mich herein, wenn ich daheim bin. Bei Aufträgen im Hotel geht es darum, vom Dach bis zum Keller für Sicherheit zu sorgen. Ich scanne sozusagen das ganze Haus. Das reicht vom VIP-Service über die Kommunikation mit Securitys bis hin zum Checken der Zimmer, wenn zum Beispiel ein Staatsgast erwartet wird. Wenn jemand seine Rechnung nicht bezahlen kann oder will, komme ich ebenfalls ins Spiel.
Falls jemand einmal zu großen Durst hatte und sich nicht mehr zu benehmen weiß, kümmere ich mich auch darum. Das passiert aber immer seltener. Hinzu kommt, dass große Hotels Taschendiebe anziehen. Für diese Art von Langfingern hab ich einen besonderen Riecher, auch in einem Kaufhaus oder auf der Straße. Verspüren andere ein Kribbeln im Bauch, weil sie verliebt sind, kribbelt es bei mir in der Gegenwart von Dieben. Ich glaub, über diesen Instinkt verfüge ich immer schon.
Im Nahkampf geschult
Ich mach den Job bei der Wiener Detektei Pöchhacker seit 1993. Eigentlich wollte ich zur Polizei, doch dort gab es in jener Zeit einen Überschuss an weiblichen Bewerberinnen. Also absolvierte ich eine dreimonatige Ausbildung zur Berufsdetektivassistentin. In deren Rahmen wird einem auch einiges Juristisches beigebracht. Schließlich treten wir regelmäßig bei Gericht auf.
Waffe trage ich keine. Aber ich bin im Nahkampf gut geschult. Dieses Können kommt aber nur im Falle von Notwehr zum Einsatz. Das passiert immer wieder. Kommt es dazu, nütze ich das sogenannte Anhalterecht bis zum Eintreffen der Exekutive. Wirklich schlimm war es in zwei Fällen. Einmal hat mir jemand den Hals bis zur Ohnmacht zugedrückt, im andern Fall hatte ich es mit vier Dieben gleichzeitig zu tun. Das war eine Mordstrumm-Rauferei.
In einem solchen Moment schießt einem das Adrenalin ein, und erst am nächsten Tag weiß man, warum man nicht aus dem Bett kommt und aufgrund seiner Prellungen liegen bleiben möchte. Zum Glück kann ich das schnell von meiner Festplatte löschen. Dabei hilft mir mein geduldiges Gemüt.
Zähneklappern
Angst habe ich keine. In dem Fall würde ich diesen Job nicht machen. Respekt schon. Klar sorgt sich meine Lebenspartnerin, die ich bald heiraten werde, immer wieder um mich. Aber ihr ist es lieber, ich bin Detektivin als Polizistin. Und sie findet es auch cool. Ich weiß nicht, wie viele Tausend Langfinger ich schon ertappt habe.
Ebenfalls part of the job sind Ermittlungen in Sachen Krankenstände, Personen- und Objektobservationen bei Mietrechtsangelegenheiten und anderen Geschichten. Observationen erfordern besonders viel Geduld, denn in diesem Fall kann ein Dienst bis zu zwölf Stunden dauern. Ich kann mich an einen Einsatz erinnern, bei dem ich so lange im Regen stand, dass meine Zähne klapperten und man mich am Telefon nicht mehr verstanden hat.
Viele Stunden verbringe ich auch im Auto, beobachte eine einzige Tür und warte darauf, dass die sogenannte Zielperson durch sie herauskommt oder hineingeht. Das Auto verfügt zwar über eine Standheizung, die kann aber nicht an jedem Standort in Betrieb sein, denn ihr Geräusch macht einen vielleicht selbst zum Verdachtsobjekt.
Männer haben es in meinem Job leichter. Erstens flößen sie einem Dieb in der Regel mehr Respekt ein, und auch die Sache mit körperlichen Bedürfnissen ist eine andere. Ein Kollege kann, während er Stunden im Auto sitzt, schon mal hinter einem Baum verschwinden. Ich hab das einmal weit draußen im 22. Bezirk gewagt, und prompt hockte ich im Scheinwerferlicht eines Nachtbusses. Auch das ist Teil unseres Jobs.
Ferner sollte man nicht einschlafen, nicht am Handy rumspielen und lesen spielt’s natürlich genauso wenig. Auf die Uhr zu schauen gewöhnt man sich ab. Ich halte mich wach, indem ich hin und wieder das Fenster öffne, Kaffee trinke, telefoniere oder Vokabeln einer Fremdsprache im Kopf durchgehe. Im Moment sind es englische. Ich denke schon, dass ich durch meinen Beruf ein anderes Verhältnis zur Zeit entwickelt habe. Ich bin gelassener geworden, lass mich nicht mehr so stressen wie einst.
Beweise finden
Observationen in Ehe- bzw. Beziehungsangelegenheiten sind eine ganz spezielle Angelegenheit. In dem Fall kommen andere Emotionen ins Spiel. Wenn eine nette Frau oder ein feiner Kerl amourös betrogen wird, ist das etwas anderes als ein Mietrechtsvergehen, wobei generell Mitleid oder Sympathien unprofessionell wären. Es geht ja auch um Geld, Sorgerechte, Vermögensaufteilung etc.
Selbst wenn der Auftraggeber der größere Hallodri ist als seine Frau, darf mich das nicht kümmern. Mitleid kommt eher vor, wenn jemand ganz offensichtlich aus Hunger in einem Supermarkt stiehlt. Aber auch in dem Fall muss ich meinen Job machen.
Geduld erfordert mein Job nicht nur in Sachen Zeit, sondern auch in zwischenmenschlichen Belangen. Erwische ich einen Ladendieb, der seine Tat abstreitet, bedarf es Geduld, um ihn möglichst zur Vernunft zu bringen.
Manchmal passiert gar nichts
Wie Sie sich so eine Observation in Sachen Seitensprung vorstellen können? Ja, schon wie im Film. Ich sitze im Auto und warte, stehe im Hauseingang oder schau mir an, ob das betreffende Paar schon beim Abendessen miteinander turtelt. Im besten Fall kann ich Fotos schießen, im Film geht das allerdings viel schneller. Es kann auch sein, dass gar nichts passiert.
Der Unterschied zum Film ist, dass ich nicht nach eineinhalb Stunden nach Hause gehen kann. Oder nur sehr selten. Ich muss rausfinden, ob zum Beispiel ein Paar miteinander im Bett landet. Also einen Beweis finden. Einen Pauschalpreis für so eine Observation gibt es nicht. Die Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab.
Zeit spielt also in meinem Job schon eine ganz besondere Rolle. Es gibt Kaufhäuser und Geschäfte, in denen einfach nichts los ist, und ich verfluche den Tag, weil die Minuten nicht verstreichen. Ein angeborener Stoizismus stellt sich durchaus als Vorteil heraus.
Wenn sich nach ein paar Stunden Observation immer noch nichts tut, ruft man schon mal im Büro an und fragt nach. Meistens heißt es dann: ‚Lass uns noch warten‘. Also wartet man. Wenn man Pech hat, passiert gar nichts. Oder die betreffende Person fährt nicht zu ihrem Gspusi, sondern holt einfach nur Zigaretten. Alles eine Frage der Geduld.“ (Michael Hausenblas, RONDO, 13.3.2020)
Barbara P.* (Name von der Reaktion geändert) ist Detektivin bei der Wiener Detektei Pöchhacker.