Jemand muss nachgeholfen haben:
Der Fall Daniela B.
Geld allein macht nicht glücklich! Was der Volksmund schon immer wusste, musste auch die 1967 in Deutschland geborene und in Wien-Neubau lebende Daniela B. leidvoll erfahren. Mit 1,5 Millionen Euro hätte sich die studierte Mathematikerin zwar ein finanziell sorgenfreies Leben machen können, doch sie verfiel in Depressionen und wurde todunglücklich. Sie bildete sich Krankheiten ein und betrieb ein regelrechtes „Doktor-Hopping“: Doch selbst die besten Ärzte der Welt konnten keine Krankheit diagnostizieren.
Medikamentenmissbrauch, zu viel Alkohol und Bewegungsmangel führten bei einer Körpergröße von 165 cm zu einer Verdoppelung ihres Gewichtes auf mindestens 120 Kilo. Treppensteigen und Schuhe binden wurden zu einer körperlichen Herausforderung, an Autofahren war nicht mehr zu denken. Seit einem Jahr freundete sie sich immer mehr mit dem Gedanken an, die „Dienste“ des Schweizer Sterbehilfevereins Dignitas in Anspruch zu nehmen.
Die zwischenzeitlich überzeugte Buddhistin glaubte an ihre Wiedergeburt. „Danach“ wollte sie auch ihr Vermögen wieder zurückhaben, welches sie als Übergangslösung in eine Stiftung verlagert bzw. vererbt hatte. Ihre Eigentumswohnung hatte sie zu einem sehr günstig anmutenden Preis verkauft, aus „Gefälligkeit“ durfte sie dort noch bis zu ihrem baldigen Ableben wohnen bleiben. Insider vermuteten dahinter überhaupt ein Scheingeschäft.
Neuer Eigentümer und auch sonst überwiegender Nutznießer bzw. „Treuhänder“ war Martin T. (Name geändert), ein Ex-Freund aus Studienzeiten, der sich plötzlich wieder um sie kümmerte. In einer an Dignitas gerichteten „persönlichen Zustandsbeschreibung“ von Daniela B. beschrieb er sich selbst als ihren „engsten Vertrauten und Lebensberater“, der nach Beobachtung ihres Leidensweges „ihren Entschluss voll und ganz verstehen kann“. Martin T. hatte auch vor, Daniela B. auf ihre letzte Reise in die Schweiz zu begleiten. Böse Zungen behaupten, dass dies vielleicht nur deswegen der Fall war, damit es sich diese nicht im letzten Moment wieder anders überlegt.
Doch Dignitas war wegen eines anonymen Schreibens misstrauisch geworden und verlangte eine weitere ärztliche Bestätigung (ein Schreiben des Hausarztes(!) lag bereits vor) über die Urteilsfähigkeit ihres zwischenzeitlichen Vereinsmitgliedes. Bei der Psychiaterin Dr. L., vor der wir respektvoll unseren Hut ziehen, geriet Daniela B. jedoch an die Falsche. Diese verweigerte nicht nur die verlangte Bestätigung, sondern drohte Dignitas mit rechtlichen Konsequenzen und setzte am 17. April 2007 Himmel und Hölle in Bewegung, um Daniela B. unverzüglich zwangsweise auf die Psychiatrie der Baumgartner Höhe einliefern zu lassen. Wo Daniela B. zunächst im Gitterbett fixiert werden musste und tobte.
Der Zeitpunkt für sie hätte ungünstiger nicht sein können, denn bereits zwei Tage später, am 19. April 2007, hätte die zwischenzeitlich Mittellose den Termin für ihre „FTB“ (Freitodbegleitung) in der Schweiz gehabt. Martin T. telefonierte nicht nur mit Dignitas um die FTB abzusagen, sondern auch mit der Baumgartner Höhe, um Daniela B. herauszubekommen. Mit Daniela B., welche Theater spielte und sich plötzlich „von Suizidabsichten distanziert“ zeigte, gelang es dem rhetorisch versierten Martin T. tatsächlich bereits am nächsten Tag gegen 18 Uhr, die zuständige Ärztin in einem persönlichen Gespräch zu einer Entlassung zu bewegen. Mit der Behauptung, es gäbe ein dichtes Betreuungsnetz durch Freunde und ihn selbst. Für die nächste Woche sei eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung gewährleistet.
30 Stunden später, am 20. April 2007, gegen 00.23 Uhr und somit nur wenige Minuten nach dem Tag ihrer geplanten FTB, wurde der reglose Körper der vierzigjährigen Daniela B. entdeckt. Nicht etwa in der Schweiz, sondern in der nur 30 Kilometer von ihrer Wohnadresse entfernten Brentenmaisstraße in Pressbaum/Niederösterreich, unter einem 22 Meter hohen Aquädukt der 2. Wiener Hochquellenwasserleitung. Nur ein paar hundert Meter vom Zweitwohnsitz des Martin T., den auch dessen Eltern häufig benützten, entfernt. Gefunden wurde Daniela B. von einer Pkw-Lenkerin. Einer Wirtin, die nach der Sperrstunde mit der Tageslosung unterwegs war, deswegen in der spärlich beleuchteten Gegend eine Falle befürchtete und nicht ausstieg. Auffällig war für sie die Rückenlage des Körpers mit – über den Kopf – ausgestreckten Armen.
Noch vor der Polizei traf die Notärztin ein, welche um 0.57 Uhr den Tod feststellte. Aufgrund ihrer vorherigen Reanimationsversuche hatte sie zwangsläufig die Lage der Leiche, insbesondere die auffällige Armhaltung, verändert. Dass es demnach auch keine Polizeifotos von der Ursprungslage geben kann ist logisch, dass die Wirtin nicht auch ausführlich niederschriftlich einvernommen wurde, nicht mehr so ganz. Jedenfalls zeigte sich diese später deswegen verwundert.
Auf dem Aquädukt wurden ein Rucksack und eine Taschenlampe gefunden. Wie ausgerechnet die fettleibige Daniela B. die Absperrung, welche ja eigens zur Abschreckung potenzieller Selbstmörder errichtet worden war, ohne Hilfe überwinden hätte können, nährte keinen Anfangsverdacht. Auch nicht, dass die Leiche barfuß war und trotzdem saubere Füße hatte. Bei Tageslicht wurden die Schuhe von der Polizei im Gras am Straßenrand, auf Höhe des Leichenfundortes, gefunden: der eine links der Straße, der andere rechts, beide zugeschnürt! Die Socken blieben unauffindbar. Die Suche nach dem, auf Daniela B.s angemeldeten, Pkw blieb erfolglos; wie sie mitten in der Nacht dorthin gelangte, somit ein Rätsel.
Bereits um 3.30 Uhr von der Polizei unternommene Erhebungsversuche beim Zweitwohnsitz des Martin T. in Pressbaum verliefen erfolglos. Weder konnte er telefonisch erreicht werden, noch an seiner Wiener Wohnung von Beamten einer ersuchten Wiener Polizeiinspektion „angetroffen werden“. Er musste wohl tief und fest geschlafen haben!
Um 8.30 Uhr gab Martin T. bei der Polizei in Pressbaum niederschriftlich an, dass sich Daniela B. seit ca. einem Jahr mit Selbstmordgedanken getragen habe. „Am 17. April begab sich Daniela B. zur Behandlung in die psychiatrische Abteilung der Baumgartner Höhe in Wien. Dort war sie bis 18. April 2007, 18.00 Uhr, wo sie als geistig gesund entlassen wurde. Ich habe sie selbst abgeholt und brachte sie in ihre Wohnung. Eine Freundin (NN), näheres ist mir nicht bekannt, kümmerte sich um Daniela. Ich bin gegen 19.30 Uhr weggefahren. Kurz darauf kam dann „NN“ in die Wohnung.“
Alleine diese Aussage spricht Bände. Weder war von einer Zwangseinweisung die Rede, noch von einer Entlassung auf Grund der versprochenen Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Die Wahrheit ahnen konnte die Polizei zu diesem Zeitpunkt freilich nicht.
Um 10.50 Uhr wurde die Staatsanwaltschaft vom „erhobenen Sachverhalt“ in Kenntnis gesetzt, worauf die Leiche „freigegeben“ wurde. Ohne Obduktion wurde sie am 27. April 2007 eingeäschert. Die meisten Freunde erfuhren – tief erschüttert – überhaupt erst beim Begräbnis, dass Daniela B. gar nicht bei Dignitas in der Schweiz verstorben war. Denn sie lag ja voll im Zeitplan!