Der Fall Natascha Kampusch

Der Fall Natascha Kampusch

Die ersten acht Jahre eines einzigartigen Entführungsfalles im Spiegel der Medien

2. März 1988 – Das scheinbar spurlose Verschwinden der zehnjährigen Natascha Kampusch löst eine Welle der Meidenberichterstattungen aus. Auch Monate und Jahre später sorgt der Fall immer wieder für ein Rauschen im Blätterwald, obwohl die Nachrichtenlage recht dünn ist und es kaum neue Erkenntnisse gibt. Die Selbstbefreiung von Natascha Kampusch am 23.August 2006 nach 3.096 Tagen Gefangenschaft löst schließlich ein weltweites Medienecho aus, das bis zum heutigen Tag nicht ganz verklungen ist.


Vierte Umschlagseite:

„Martin Pelz beschäftigt sich mit den ersten achteinhalb Jahren des „Falls Natascha Kampusch“. Er untersucht wie es passieren konnte, dass der Name Natascha Kampusch über den gesamten Zeitraum nicht mehr aus der Medienberichterstattung verschwand. Angelehnt an die Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft bezüglich der Nachrichtenauswahl und der Entstehung von Themen analysiert der Autor Entwicklung und Verlauf der Themenkarriere, sowie Unterschiede und zwischen den Tageszeitungen Kronen Zeitung, Kurier und Die Presse.“


– Seite 125 –

[…] Hypothese 8 muss daher ergänzt werden: Zu Beginn wird der „Fall Natascha Kampusch“ vorwiegend als „originäres“ Thema behandelt. Danach wird das Thema vorwiegend „rethematisiert“. Danach dominieren die Berichterstattungen über ähnliche Fälle und die Ausweitung des Themas.

Zu Beginn der Berichterstattung waren noch Zeiträume wie 260 Stunden, zehn Tage, 100 Tage Anlässe zu Re-Thematisierung schon in der Schlagzeile. In der Folge fand zumindest noch rund um den Jahrestag des Verschwindens oft eine Re-Thematisierung statt. „Auch wenn das Interesse der Medien immer geringer wurde, waren die Jahrestage des Verschwindens noch immer ´Aufhänger´ für einen Bericht.“285 Über den gesamten Untersuchungszeitraum gab [es, Anm.] in jedem einzelnen Jahr im Monat März zumindest einen Beitrag. Der März ist nicht nur im Jahr 1998, sondern auch danach der Monat mit den meisten Beiträgen. Spätestens ab dem Jahr 2001 erreichten die Bemühungen des Privatdetektivs Walter Pöchhacker eine im Verhältnis zur Gesamtberichterstattung erwähnenswerte Anzahl an Beiträgen. Der Detektiv sorgte mehrmals für einen neuen Impuls. Zur Durchsetzung seiner Forderung, in einem Teich nach der Leiche von Natascha Kampusch zu graben, wollte der Herausgeber der „Kronen Zeitung“, Hans Dichand höchstpersönlich für Pöchhacker eine Kaution in der Höhe von 2 Millionen Schilling hinterlegen.

Pöchhackers Anschuldigungen an Personen im Umfeld der Mutter Brigitta Sirny, sowie ein von ihm durchgeführter Lügendetektortest sorgten ebenfalls mehrmals für die Ausweitung des Themas.286Weiters stieg auch der Anteil der Berichterstattung von ähnlichen Ereignissen.287 […]

– Seite 130 –

[…] Die Intensität der Berichterstattung über Natascha Kampusch ist nur zum Teil mit dem Zusammentreffen verschiedenster Nachrichtenfaktoren zu erklären. Die Fülle an Beiträgen kam auch durch die Verlängerung der Thematik durch das Aufgreifen von Subthemen zustande. Der „Fall Natascha Kampusch“ diente den Journalisten dazu, andere Themen medial zu verarbeiten. Geht man der Frage nach, weshalb die Medien nach dem Verschwinden von Natascha Kampusch umfangreich über Folgeereignisse berichteten, sind mehrere Gründe erwähnenswert. Der bereits erwähnte Detektiv Walter Pöchhacker hatte Erfolge in etlichen Fällen von Kindesentführungen zu Buche stehen und wurde ursprünglich vom „Kurier“ engagiert, um den Fall zu lösen. Er vertrat schon bald die These, dass der Täter im engeren Umkreis der Familie zu suchen sei. Von ihm veranlasste Lügendetektor-Tests führten allerdings ebenso wenig zu einem Ergebnis wie die 2002 durchgeführten Grabungen nach der Leiche der öffentlich bereits ziemlich einstimmig totgesagten Natascha Kampusch. „Es ist Pöchhacker aber zu verdanken, dass die Geschichte medial nicht versandet ist.“290 so Oswald Hicker, Chefreporter der Gratiszeitung „Heute“, damals „News“. Pöchhacker sorgte immerhin mit seinen Vorwürfen an die Exekutive für die Einsetzung einer Sonderkommission, die den Fall neu aufrollte.291Pöchhacker gründete den „Natascha Kampusch Fonds“ zur Förderung der Verbrechensaufklärung. Es sollte möglichst viel Geld für zielführende Hinweise über den Verbleib Nataschas gesammelt werden. Der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk übernahm die Patronanz für den Fonds. Insgesamt war der Spendenaufkommen jedoch eher bescheiden. Am 31.Dezember 2003 betrug der Kontostand 9.599,30 Euro, wobei Pöchhacker selbst 100.000 Schilling überwies.292 […]

Martin Pelz.- Barbug: Textum-Verlag, 2010 ISBN: 0978-3-8288-2294-8

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