Schnüffeln, wenn die Polizei keinen Auftrag mehr hat: So arbeiten Berufsdetektive

Schnüffeln, wenn die Polizei keinen Auftrag mehr hat: So arbeiten Berufsdetektive

Manfred SEEH und Andreas WETZ – 25.03.2017 – Die Presse |


Beruf unter der Lupe:

Ermitteln, beschützen, aufklären: Seit der Causa Nitsch stehen private Detektive im Rampenlicht. Berufsbedingt kommen sie mit seriösen Auftraggebern genauso in Kontakt wie mit der Halbwelt.

Wien.Die Affäre um den mysteriösen Einbruch in das Weinviertler Schloss des weltbekannten Schüttkünstlers Hermann Nitsch beschäftigt nicht nur Polizei und Steuerfahndung – sie hat auch einen ganzen Berufsstand schlagartig ins Rampenlicht gerückt: die Berufsdetektive.

Nicht irgendeiner, sondern der schillerndste und am meisten angefeindete seiner Branche einer, der sich selbst ob seiner legendären Fälle von AKH über Lucona bis Noricum in einer absoluten Sonderstellung sieht, hat ermittelt: Dietmar K. Guggenbichler, Privatdetektiv, Sicherheitsspezialist, staatlich konzessioniert. Er war es, der öffentlich den Verdacht geäußert hatte, dass im Tresor des Künstlers hunderttausende Euro Schwarzgeld gehortet worden sein könnten. Nitsch und seine Frau Rita bestreiten dies vehement.

„Berufsstand wurde Opfer“
„Der gesamte Berufsstand ist durch die Affäre um Hermann Nitsch zum Opfer geworden“, meint der Wiener Berufsdetektiv Josef Schachermaier. Er kritisiert seinen Standeskollegen Guggenbichler hart. Es gehe nicht an, die eigenen Klienten in Bedrängnis zu bringen. Guggenbichler selbst (siehe Porträt rechts unten) sieht die Dinge anders. Nitsch‘ Frau habe im Gespräch mit ihm den Schaden viel höher beziffert als gegenüber der Polizei. Sie habe also entweder ihn oder die Polizei angelogen. „Deshalb bin ich zur Steuerbehörde gegangen“, erklärt Guggenbichler. Auch habe Frau Nitsch ihn bei der Tätersuche „auf die falschen Leute gehetzt“. Rita Nitsch bestreitet all das.

Ganz abgesehen von diesem Fall meint Guggenbichler mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein: „Ich bin in Wahrheit der einzige ernst zu nehmende Ermittler in der Branche.“ Aber von welcher Branche spricht er da eigentlich? Welche Arbeit erledigen heute Privatdetektive, deren Bild in der Öffentlichkeit seit vielen Jahren vom Wirken des inzwischen pensionierten TV-Schnüfflers Josef Matula („Ein Fall für zwei“) geprägt wird?

Die Branche, das sind etwa 1000 Mitarbeiter, die für knapp 400 Detektive mit Gewerbeschein arbeiten. Der Beruf des Informationsbeschaffers ist geschützt. Für seine Arbeit Geld verlangen darf offiziell nur der, der entweder eine kommissionelle Prüfung abgelegt oder seine Fertigkeiten durch Vorlage von Dienstzeugnissen nachgewiesen hat. Und wer einen lupenreinen Leumund, also keine ungetilgten Vorstrafen im Register hat.

Bis auf wenige Ausnahmen, so erzählen Detektive, vertrage man sich untereinander gut. Nur auf Pfuscher, also Ermittler, die an der Gewerbeordnung vorbei ihre Dienste anbieten, auf die reagiere man allergisch: Diese Fälle aufzudecken ist dann die Aufgabe von Josef Schachermaier, sozusagen der Privatdetektiv der Detektive.

Die Zusammensetzung des Berufsstandes ist ziemlich bunt. Vom Akademiker bis zum ausgestiegenen Hilfsarbeiter ist alles mit dabei. Ein gutes Drittel, heißt es, soll einst bei der Polizei gedient haben. Viele dieser Branchenwechsler haben die Exekutivgewalt jedoch unfreiwillig an den Nagel gehängt, und es gibt doch einige, die dann mit unseriösen Methoden für Aufregung sorgen. Zwischen drei und fünf Verfahren zum Konzessionsentzug führt die Kammer jährlich. Auch atmosphärisch scheint der Berufsstand zweigeteilt. Hier der betont seriös auftretende Nachwuchs, dort die alte Garde, deren Exponenten optisch und rhetorisch wie Bindeglieder zwischen Ober- und Unterwelt wirken. Wer ihre Namen in Google eingibt, findet Fotos wie aus Agententhrillern: Waffen, feine Anzüge und (halb) nackte Frauen. Und meist schwingt die Hybris des einsamen, zu allem entschlossenen Kämpfers in einer verkommenen Welt mit. Zu den Vertretern dieser alten Garde zählen Männer wie Walter Penk-Lipovsky. Oder eben der bald 72-jährige „Altstar“ Dietmar Guggenbichler. Und im weiteren Umfeld wohl auch Walter Pöchhacker. Er wurde durch seinen hartnäckigen Einsatz im Entführungsfall Natascha Kampusch bekannt. Zu diesem meint er noch heute hintergründig resümierend: „Österreich ist schlicht zu klein, um so einen Skandal bewältigen zu können.“

Preisdumping im Kaufhaus
Aber zurück zur Branche, zu deren Entwicklung: Die Anzahl der Detekteien vor 30 Jahren schätzt Pöchhacker auf etwa 70 österreichweit, davon zirka 25 in Wien. 2001 gab es laut Statistik Austria in ganz Österreich bereits 136 Detekteien, davon 46 in Wien. Mittlerweile sind es bundesweit um die 400, davon 110 in der Hauptstadt.

Das sorgt für Probleme . „Wie in allen Branchen gibt es auch hier Dumpinganbieter“, sagt Pöchhacker. Und: „Speziell im Kaufhausbereich, beim Überführen von Ladendieben, sind Detektive aus Deutschland ein zunehmendes Problem . Dort kann jedermann ohne besondere Vorkenntnisse Privatdetektiv spielen und, dank EU, seine Geschäfte auf Österreich ausweiten. Der Preiskampf der Detekteien im Handel war immer schon gewaltig und wird zunehmend unseriöser. Es kommt vor, dass Agenturen sogar kostenlos ihre Dienste anbieten und von den Erlösen aus Regressforderungen leben, die sie von den Ladendieben kassieren.“
Welche Eigenschaften machen einen guten Detektiv aus? Laut Pöchhacker muss man fähig sein, Probleme zu erkennen, auch Einfallsreichtum, Risikobewusstsein, Verschwiegenheit oder zum Beispiel extreme Flexibilität zählt er dazu. „Nicht zuletzt eine Partnerin, die einem nicht die Hölle heiß macht, wenn der geplante Urlaub, wieder einmal, ins Wasser fällt.“

Ermittlungen für Banken
Einer ganz anderen Generation als Guggenbichler & Co. entstammt Bernhard Maier. Der 41-Jährige hat Politikwissenschaft studiert und stieß noch vor der Inskription zum Gewerbe. Personenschutz und das Posieren mit dem Colt sind nicht so seine Sache. Viel lieber spürt er für Banken flüchtige Schuldner, versteckte Vermögenswerte von Pleitiers sowie findige Insolvenztouristen auf, die die finanziell günstigere Rechtslage in manchen EU-Staaten unredlich ausnutzen. Maier sagt: „Geschäftskunden zahlen besser und verlässlicher und legen fast immer großen Wert auf seriöse Vorgehensweise.“

Das ist nämlich nicht selbstverständlich. Zwar haben die Privaten bei Weitem nicht die Möglichkeiten der Polizei, umgekehrt schätzen es Kunden, dass man dem Detektiv auch Details aus der rechtlichen Grauzone anvertrauen kann. Für konzessionierte Detektive gilt eine Verschwiegenheitspflicht, die zwar nicht ganz so streng ist wie jene von Anwälten oder Ärzten, andererseits kann man ihnen Dinge anvertrauen, die ein rechtstreuer Polizist sofort zur Anzeige bringen müsste. Auch Maier wurde schon in Versuchung geführt. Einmal wollte ein Klient einen Konkurrenten auffliegen lassen. Der Auftrag an den Detektiv lautete: Deponiere eine Ladung Kokain im Auto des Gegners und sorge dafür, dass das die Polizei findet. „Ich habe das natürlich abgelehnt.“

Ob er sich das leisten kann? Als Selbstständiger, der seine Sache gut macht, könne man als Detektiv durchaus gut verdienen. Angestellte hingegen verdienen trotz vieler Überstunden selten mehr als 1600 Euro (netto) im Monat.

Werde gehasst – hasse mich selbst“
Porträt Dietmar Guggenbichler eine Reizfigur zu nennen wäre untertrieben. Er ist der meistgehasste Detektiv Österreichs, vielleicht der beste. Man nannte ihn „.38 Special“.

Ich hasse drei Dinge auf den Tod: Drogen, Kindesmörder oder solche, die sich an Kindern vergehen, und Korruption.“ So kompakt fällt die Selbstbeschreibung des nahe Klagenfurt lebenden Detektivs Dietmar Guggenbichler aus. Doch es wäre nicht Guggenbichler, fiele ihm nicht noch ein deftiger Zusatz ein: „Manchmal hasse ich mich selbst.“

Und wann? „Wenn ich nicht das tun darf, was ich gern mit jemandem anstellen würde. Manchmal hasse ich mich, weil ich nicht kann, wie ich will, oder weil ich nicht darf, wie ich will.“ Dahinter steckt die für Guggenbichler nicht immer leicht zu verdauende Einsicht, dass es ja auch noch so etwas wie den Rechtsstaat gibt. An dessen Grenzen müssen die mitunter handfesten Methoden des gebürtigen Oberösterreichers zwangsläufig haltmachen.

Der Mann mit dem Schnauzbart, der nie ohne seinen Revolver unterwegs ist, wird am 29. Juni 72 Jahre alt. Er arbeitet nicht allein. Drei Berufsdetektive stehen ihm zur Seite (zwei davon waren auch im Fall Nitsch mit an Bord). Betritt man sein Büro, vermittelt nicht nur ein alter, aber funktionstüchtiger Wurlitzer die Patina vergangener Jahrzehnte. Zeitungsausschnitte, Fotos und Bücher von damals werden gesammelt und dokumentiert. Darunter finden sich Jahrhundertfälle. Das Versenken des Frachtschiffes Lucona durch ein einstiges Liebkind höchster politischer Kreise: Udo Proksch. Der von Wirtschaftsbetrügereien durchsetzte AKH-Skandal. Oder die illegalen Exporte der Waffenschmiede Noricum. Damals immer mittendrin: Dietmar Guggenbichler.
„Im Fall Lucona hat man mich angeschossen, Politiker haben mich in die Pfanne gehaut. Aber ich habe schon vor 25 Jahren den Herrn Innenminister Blecha abgehört.“ Bekenntnisse wie dieses sprudeln geradezu heraus – aus dem gerissenen Schnüffler von damals, der aber nach wie vor (zuletzt in Sachen Hypo Alpe Adria) im Geschäft ist. „Viele Kollegen kreiden mir an, dass ich zu weit gehe. Ich werde von vielen gehasst.“

Guggenbichler kennt seinen Ruf und pflegt ihn. „Ich habe ihn so lange geprügelt, bis er gekotzt hat“, sagt er über einen Mann, der ihm damals bei der Aufklärung des Falles Lucona (diese ist freilich nicht nur Guggenbichler allein zu danken) im Weg stand. Irgendwie habe ihm der Mann damals aber auch leidgetan. „Fürchterlich“, seufzt Guggenbichler, wenn er so zurückdenkt. „Nur: Ich habe ihn ja dreimal ganz normal gefragt, er hätte ja antworten können.“ Heiligt der Zweck die Mittel? Das auch wieder nicht. „Ich hab mich gewehrt. Es war Notwehr. Er hat mich zuvor mit einer Flinte empfangen.“

Ist denn Eigenwerbung wie „Das Unmögliche wird Realität“ oder „Hier ist der Beste, den Sie kriegen können“ nicht viel zu dick aufgetragen? „Man hat mir das zu­ geschrieben, ich habe ja vor vielen Jahren in Spanien und Frankreich die ETA ausgebildet. Da hatte ich einen Spitznamen: ,.38 Special‘.“ Frei nach der Munition dieses Kalibers. „Ich war der schnellste Revolverschütze Europas, und ich bin heute noch sehr gut.“ Mehr noch: „Ich maße mir an zu sagen – ich bin der Beste.“

Drohung eines Kollegen:
Viele in der Branche sehen das anders. Mit einem Konzessionsentzug und mit Anzeigen war der passionierte Pokerspieler bereits konfrontiert. Erst kürzlich schrieb ihm ein Kollege kryptisch drohend: „Wir sehen einander, nein, ich sehe Sie und hoffe, dass Sie für die (nicht verdiente, aber längst überfällige) Pensionierung genug zur Seite geräumt haben, mehr wird es nämlich nicht mehr spielen.“

Angst hat der seit 36 Jahren in zweiter Ehe verheiratete Familienvater keine. Den Tod einer seiner vier Töchter führt Guggenbichler auf einen Mordanschlag zurück. Mitglieder der Drogenmafia hätten der Jugendlichen aus Rache für seine Ermittlungen im Schweizer Drogenmilieu eine Überdosis gespritzt. Wer in diese Abgründe sehen musste, hat einfach keine Angst mehr. (m. s.)

AUF EINEN BLICK
Das Gewerbe des Berufsdetektivs ist in Österreich geschützt. Legal ausüben dürfen es nur Personen mit Gewerbeberechtigung. Die erhält man nach dem Ablegen einer Prüfung oder dem Vorlegen von Zeugnissen, die eine ähnliche Qualifikation bestätigen. Etwa 400 Detekteien sind in Österreich gemeldet. Die Tätigkeiten gehen von Personenschutz über Nachforschungen in Ehestreitigkeiten bis hin zu Ermittlungen aller Art. Pfuschern, die keinen Gewerbeschein haben, stellt die Kammer mit einem Privatdetektiv nach.

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