Privatdetektiv Walter Pöchhacker
„Wir drücken niemandem eine Blondine aufs Aug´ „
Er fand einst den „bladen Franz“, der Millionen hinterzog. Heute ermittelt Walter Pöchhackers Detektei wegen falscher Krankschreibungen und heimlicher Affären. Ein Gespräch über den Alltag von Privatdetektiven
András Szigetvari – derstandard.at (15. Juni 2019)
In die Produktion des berüchtigten Ibiza-Videos sollen drei Privatdetektive verwickelt gewesen sein. Grund genug, in einer etablierten Privatdetektei in Wien nachzufragen, wie die Branche arbeitet.
STANDARD: Herr Pöchhacker, wie wurden Sie Privatdetektiv?
Pöchhacker: Es war mein Kindheitstraum. Ich wollte eigentlich Kriminalpolizist werden. Nach der Matura wollte ich direkt zur Polizei. Bis zum nächsten Kursbeginn hat es aber gedauert. Diese Zeit wollte ich überbrücken. Per Zufall bin ich über ein Zeitungsinserat gestolpert, in dem ein Detektiv gesucht wurde. Das war fast auf den Tag genau vor 40 Jahren. Das war gedacht als Übergangslösung. Mir hat es gefallen, und ich bin geblieben.
STANDARD: Was gefiel Ihnen?
Pöchhacker: Die Fälle – da waren schon früh einige prägende dabei. Einer, an den ich mich gut erinnere, drehte sich rund um einen bekannten Arzt, der zu uns gekommen war und erzählte, dass ihm jemand am Wochenende im Burgenland das Auto demoliert hatte. Der Mann war die Nacht über in einem Hotel gewesen, mit einer ebenfalls sehr bekannten Richterin in Neusiedl am See. Das Hotel verfügte über eine Diskothek im Erdgeschoß, und auch Discobesucher nutzten den Hotelparkplatz. Der Arzt hatte sein Auto, einen sündteuren englischen Sportwagen, auf diesem Parkplatz abgestellt, und in der Nacht war ihm irgendjemand reingefahren. Der Typ war fürchterlich angefressen. Die Polizei konnte aber den Täter nicht finden. Also wollte der Mann unsere Hilfe.
STANDARD: Haben Sie ermittelt?
Pöchhacker: Ich bin mit einem Kollegen runterfahren. Wir sind zuerst zum Postenkommandanten der Gendarmerie gefahren, um uns vorzustellen. Sein Blick, als er uns sah, sagte etwa: Auf euch zwei depperten Wiener haben wir gerade noch gewartet. Die Zusammenarbeit von Polizisten und Detektiven ist eben nicht immer einfach. Der Verdacht war jedenfalls naheliegend, dass irgendein betrunkener Discobesucher am Auto angefahren ist. Wir haben in der Disco zu ermitteln begonnen: Wir haben einen Kellner befragt und einen Lehrburschen. Unser Ziel war, alle Gäste festzustellen – um die 70 Personen, die am besagten Abend da waren. So haben wir einen nach dem anderen befragt: Ein Gast benennt den nächsten, den muss man dann suchen, befragen und so weiter. Das Ganze ist mühsam und dauert Tage.
STANDARD: Haben Sie den Fahrer gefunden?
Pöchhacker: Nach einiger Zeit sind wir angestanden. Es gab da eine Gruppe von sieben Personen in der Disco, die keiner gekannt hat. Wir waren schon kurz vor dem Aufgeben, völlig übermüdet. Dann kam der Durchbruch: Unter den sieben Personen war auch eine Frau. Nach einer Weile haben wir einen Zeugen gefunden, der in der Diskothek jemanden hat sagen hören, dass in dieser Siebenergruppe sich auch die Winzerkönigin aus einem Nachbarort befand. Wir sind sofort hin, haben die Winzerkönigin gefunden. Sie hat zugegeben, dass sie im Auto ihres Freundes gesessen ist, als dieser am Auto angefahren ist. Die Quintessenz aus der Geschichte ist, dass man als Privatdetektiv Geduld bis zum Umfallen braucht.
STANDARD: Was sind die wichtigsten Geschäftsfelder für Sie heute?
Pöchhacker: Viele Aufträge haben wir im Bereich der Wirtschaftskriminalität, dazu zählen Betrügereien und Diebstähle durch Bedienstete. Unser Durchbruch in diesem Bereich war 1987 und betraf einen großen Fall, einen Buchhalter, der 280 Millionen Schilling bei der Firma Europapier unterschlagen hatte. Der Buchhalter hatte auf primitivste Art und Weise Barschecks gefälscht. Wir haben ihn in Salzburg gefunden, und zwar noch vor der Polizei. Unser Vorteil war, dass der Gesuchte den Spitznamen „der blade Franz“ hatte: Er war klein, blad und hatte einen watschelnden Gang, also leicht erkennbar.
STANDARD: Was macht der typische Detektiv noch?
Pöchhacker: Wir beschäftigen uns viel mit der Überwachung von Krankenstandstagen, ein anderer Kernbereich ist das Scheidungsrecht.
STANDARD: Fahren Sie Ehemännern und Ehefrauen nach und stürmen dann ins Zimmer, um die Leute bei frischer Tat zu ertappen?
Pöchhacker: Wir stürmen sicher nicht in irgendwelche Zimmer hinein, das würden wir uns nicht antun. Das wäre mit vielen Emotionen verbunden, mit Streitereien. Was wir tun, ist, zu filmen und Fotos zu machen. Als Detektiv müssen Sie in so einem Fall den Nachweis erbringen, dass die Beziehung über das übliche Ausmaß hinausgeht. Das ist ein dehnbarer Begriff: Idealerweise, wenn die Betroffenen in ein Stundenhotel fahren, wird der naivste Richter nicht glauben, die haben dort nur zwei Stunden Schach gespielt. Wir fotografieren das Paar in solchen Fällen beim Rein- und Rausgehen. Früher, als Ehebruch noch strafbar war, sind mehr Leute zu uns gekommen. Aber uns schicken nach wie vor viele Scheidungsanwälte Kunden, die sagen: Ich brauche einen Beweis.
Pöchhacker: Ab 60 bis 70 Euro pro Stunde plus Mehrwertsteuer sind Sie dabei für einen Detektiv. Dann gibt es Zuschläge für Abendstunden, fürs Wochenende. Realistisch müssen Sie mit drei- bis fünftausend Euro rechnen.
STANDARD: Anlass für dieses Gespräch ist Ibiza-Gate. Haben Sie schon mal Menschen mit einem Lockvogel in eine Falle gelockt?
Pöchhacker: Nein. Jemanden zu etwas verleiten ist absolut verboten. Wir drücken niemandem eine fesche Blondine aufs Aug‘ – das sind genau die Sachen, die wir nicht machen. Sie können auch nicht zu mir ins Detektivbüro kommen und sagen: Beobachten Sie Person XY. Dann werde ich Sie nämlich fragen: Warum? Wenn Sie kein begründetes Interesse nachweisen können, machen wir das nicht. Wir sind keine Söldner.
STANDARD: Verlangen Sie eine Heiratsurkunde, bevor Sie jemanden zu observieren beginnen?
Pöchhacker: Nein. Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft und traue mir zu, beurteilen zu können, ob mir jemand ein Gschichtl erzählt.
STANDARD: Hat der Fall Ibiza-Gate der Branche genützt oder geschadet? Hinter dem Video dürfte ja ein Privatdetektiv stecken.
Pöchhacker: Ich ärgere mich maßlos. Der Herr Wandl (Sascha Wandl, Detektiv, hat behauptet, ein ehemaliger Partner von ihm stecke hinter dem Ibiza-Video, Anm.) ist eigentlich gar kein richtiger Kollege, weil er nie eine Konzession gehabt hat. Wir bekommen jetzt immer wieder Anrufe, wo wir den Menschen sagen müssen: Nein, wir hören sicher keine Telefone ab. Die Menschen glauben jetzt nämlich, wir würden eh alles tun.
STANDARD: Sie haben gesagt, Sie lassen Arbeitnehmer auffliegen, die sich fälschlich krankschreiben lassen. Kommen da auch Unternehmer zu Ihnen, die Mitarbeitern irgendwas anhängen wollen?
Pöchhacker: Ich merke sehr bald, ob eine Firma bloß nach einem Grund sucht, um sich von einem Mitarbeiter zu trennen, zum Beispiel, weil der noch Anspruch auf Abfertigung alt hätte. Da kann ja eine Kündigung für den Unternehmer sehr teuer werden. Wenn wir das Gefühl haben, da sucht einer nur was, machen wir’s nicht.
STANDARD: Das sagen Sie jetzt.
Pöchhacker: Eines muss ich sagen: Aufträge wegen Krankenstandstagen bei uns hatten fast immer Hand und Fuß. Kein Dienstgeber wird eine Detektei beauftragen, wenn nicht ein begründeter Verdacht vorliegt – das wäre viel zu teuer. Wenn Sie ein Gfrast im Betrieb haben, kann er einen Unternehmer zur Weißglut treiben. Wir hatten schon Fälle, bei denen jemand 170 Tage im Jahr in Krankenstand war und wir dann draufgekommen sind, dass der in Wahrheit einen Weinkeller für den Sohn gebaut hat.
STANDARD: Ist es schwierig, jemanden zu observieren?
Pöchhacker: Das Observieren stellt man sich romantischer vor, als es ist. Es ist eines der schwierigsten Geschichten. Das beginnt schon mal dort, dass Sie die richtigen Fahrzeuge brauchen: Wir haben Autos, Motorräder, aber auch Fahrräder und Roller zur Verfügung. Man braucht immer zwei Leute, die sich abwechseln. Wenn der Verfolgte nicht ganz deppert ist, wird er ansonsten merken, dass ihm immer das gleiche Auto nachfährt. Die Kunst ist es, wie ein Gummiband zu agieren: Auf der Autobahn kann man jemandem ewig nachfahren, weil man viel Abstand lassen kann. Die Herausforderung ist, jemandem in der Stadt zu folgen, wo man ständig abbiegt, über Kreuzungen fährt.
STANDARD: Lebt man gut als Detektiv?
Pöchhacker: Wenn es funktioniert, ja. Es gibt in der Branche viele Kollegen, denen es nicht gutgeht. Wichtig ist, Stammkunden zu haben, dann hat man einen fixen Umsatz. Nur so kann man sich fixe Mitarbeiter leisten. Wir haben ein Nobelhotel in Wien, für das wir laufend tätig sind – einer unserer Mitarbeiter beschützt dort Gäste vor Taschendieben und ist auch zuständig, falls mal das Personal eine Dummheit begeht. Wir haben auch Bäckereiketten als Stammkunden, die Schwierigkeiten haben, weil Mitarbeiter Geld oder Ware stehlen.
STANDARD: Tun Ihnen manchmal Leute auch leid, die Sie überführen?
Pöchhacker: Wenn wir jemanden vom Personal überführen, der etwas gestohlen hat, bekommen wir manchmal schon zu hören, dass in die Kasse gegriffen wurde, weil jemand das Geld für seine Kinder gebraucht hat oder ein Angehöriger krank war. Ich möchte nicht sagen, dass mir der leidtut, weil dann würden wir den Job nicht richtig machen. Aber ich persönlich denke mir dann schon: Eigentlich ist das eine arme Sau.
ZUR PERSON
Walter Pöchhacker (64) ist seit 40 Jahren als Detektiv tätig. Er war an mehreren Kindesrückholungen beteiligt, bei denen Väter Kinder gegen den Wunsch der Mutter ins Ausland brachten. In Ägypten und Tunesien wurde er deshalb in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt. Bekannt wurde er für seine vergeblichen Ermittlungen im Fall Kampusch. Er schrieb dazu ein Buch: „Der Fall Natascha: Wenn Polizisten über Leichen gehen“.
ZUM UNTERNEHMEN
Die Detektivagentur Pöchhacker hat ihren Sitz in Wien-Landstraße, ein weiteres Büro gibt es in St. Pölten. Aktuell beschäftigt das Unternehmen sieben Mitarbeiter – zu Spitzenzeiten, als das Geschäft mit den Ladendiebstählen florierte, waren es 50. Walter Pöchhacker ist inzwischen offiziell in Pension, die Geschäfte führt einer seiner beiden Söhne, Daniel (31). Er ist aber nach wie vor beratend im Unternehmen tätig, und die Detektei, die er einst gemeinsam mit seiner Frau gegründet hat, gehört zur Hälfte ihm.